«Diese Kantate hatten wir doch schon!», hören wir den regelmässigen Konzertbesucher einwenden, wenn ihm der Einladungsbrief für «Wer mich liebet, der wird mein Wort halten» vorliegt. Ja, das stimmt und stimmt wiederum auch nicht. In der Tat wurde eine Kantate mit diesem Titel im Frühjahr 2012 bei uns bereits einmal aufgeführt und aufgezeichnet, nämlich jene mit der Nummer BWV 59. Man kann sie über bachipedia.org anhören und anschauen. Einzelne Teile sind gleich oder zumindest ähnlich wie bei der nun zur Aufführung gelangenden BWV 74. Vieles ist aber auch anders, eleganter, reichhaltiger. Johann Sebastian Bach nahm BWV 59 aus dem Jahre 1724 noch einmal in die Hand und schuf ein Jahr später eine grössere, gewichtigere Schwesterkantate. Die Genese von Bachs Werken nachvollziehbar zu machen, seine Kompositionswerkstatt erkennbar – solcherlei ist dank dem langjährigen Continuum unserer Aufführungen möglich.

Nachvollzug und Erkennbarkeit: Darum geht es auch der Reflexionistin zur Kantate BWV 74, Frau Kerstin Wiese, ja, sie hat ihren Lebensentwurf recht eigentlich darauf ausgerichtet. Seit 2002 leitet sie das Bach-Museum Leipzig und hat es zum interaktiven Erlebnispfad ausgebaut. Tausende und Abertausende von Besucherinnen und Besuchern können auf der beschränkten Fläche des Bose-Hauses das kompositorische Schaffen des Thomaskantors nachvollziehen und verstehen lernen. Wir freuen uns sehr darüber, dass Frau Wiese uns im musealen Trogener Geviert aufsucht.

Nachvollzug und Erkennbarkeit zum Dritten: Schon heute wollen wir Sie auf die Appenzeller Bachtage 2024 hinweisen. Sie finden vom 21. bis zum 25. August 2024 in Teufen, Stein und Gais statt. Thema: «Bachs Werkstatt». Dabei werden wir – nicht nur, aber unter anderem! – eine weltliche in eine geistliche Kantate umbauen. Eine geistliche Kantate notabene, die es noch nicht gibt. Welturaufführung ante portas.

Ebenfalls mit Nachvollzug und Erkennbarkeit hat die Wiederaufnahme unserer Edition von Bach Factories zu tun, jenem englischsprachigen Video-Format, mit dem wir in der grossen, weiten Internetwelt einzelne der von uns produzierten Kantaten auf einfache, unterhaltsame Weise erklärbar machen wollen. Das Team Rudolf Lutz, Xoán Castiñeira und Samuel Lutz hat die Arbeit unlängst aufgenommen und wartet zu Pfingsten mit der Bach Factory zu BWV 34 «O ewiges Feuer, o Ursprung der Liebe» auf und legt zum Trinitatis-Sonntag mit BWV 129 «Gelobet sei der Herr, mein Gott» nach.

Zu unserer Verlagstätigkeit gehört auch die laufende Herausgabe neuer CDs mit Tonaufnahmen von Kantaten. Auf der CD Nr. 43 (bzw. in den Kanälen wie Spotify, iTunes usw.) finden Sie neu BWV 39 «Brich dem Hungrigen dein Brot», BWV 89 «Was soll ich aus dir machen, Ephraim» sowie BWV 138 «Was betrübst du dich, mein Herz». Wir danken dem Tonmeister Stefan Ritzenthaler für die sorgfältige Regiearbeit, Dr. Anselm Hartinger für die erhellenden Booklet-Texte und Anneliese Looser-Hummler für die minutiöse Editierarbeit.

Wer uns einmal in der zweiten Leipziger Hauptkirche, der Nikolaikirche, miterleben will, erhält am 8. Juni 2023, dem Eröffnungstag des diesjährigen Bachfests, dazu Gelegenheit. Es erklingen die Kantaten BWV 136 «Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz», BWV 105 «Herr, gehe nicht ins Gericht», BWV 46 «Schauet doch und sehet» und BWV 179 «Siehe zu, dass deine Gottesfurcht» – Bach im Multipack, wie wir ihn selber nie zur Aufführung brächten – aber der Intendanz des wichtigsten Bach-Festivals fügt man sich selbstverständlich gerne.

Alles in allem: Viel Bach in nächster Zeit! Aber genug bekommen kann man ja kaum.