BWV 178 «Wo Gott der Herr nicht bei uns hält» ist weder textlich noch musikalisch leicht verdaulich. Der frühreformatorische Impetus des Chorals berührt uns fremd, doch Bachs affektreiche Kompositionsweise vermag uns dem ideellen Kern des kleinen Gesamtkunstwerks näherzubringen: das dünne Eis, auf der sich Mensch und Gesellschaft bewegen. Über den allesverschlingenden Orkus trage nur Glaube, Hoffnung und Vertrauen, so die Kantate. Aus postaufklärerischer Sicht besonders interessant erscheint die kurze Passage zum Thema Vernunft, vor allem, wenn man bedenkt, wie viel Unvernünftiges seit der Entstehungszeit des Kantatentexts geschehen ist und nach wie vor geschieht – ein hoffnungsloser Fall, die Vernunft?

Den nächsten Reflexionsreferenten Thomas Hürlimann brauchen wir nicht besonders vorzustellen. Wir freuen uns sehr darüber, dass der bekannte Schweizer Schriftsteller zu uns spricht und just über diese nicht leichtverdauliche Kantate. Wer Hürlimann liest, der weiss, dass er es sich in keiner Weise leicht gemacht hat mit der Sache des Glaubens in seinem eigenen Leben und Wirken. Irgendwie erscheint uns die vorliegende Kantate wie ein Abbild dieser langjährigen persönlichen Auseinandersetzung – aber vielleicht täuschen wir uns auch völlig. Thomas Hürlimann kann auch überraschen.

Etwas profaner, aber auch wichtig: Der Schuber XV mit den DVDs des Jahres 2022 wird in diesem Monat ausgeliefert und kann über unsere bekannten Verkaufsstellen bezogen werden. Wir bedanken uns für alle bereits erfolgten Vorbestellungen, die wir nun zügig abarbeiten werden. Ja, das technische Format DVD ist längst veraltet, wir wissen es. Aber es liegt uns daran, dass die stattliche Schar an Sammlerinnen und Sammlern unserer Gesamtausgabe so lange honoriert wird, wie es sich einigermassen rechnet. Wenn allerdings droht, dass die Discs mangels Endgeräten definitiv nicht mehr abspielbar sein werden, dann müssen auch wir uns geschlagen geben. Die neueren technischen Möglichkeiten sind vorhanden und dem Obsoleten weit überlegen.

Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch mitteilen, dass wir seit geraumer Zeit aus geopolitisch begründeten Sicherheitsüberlegungen unsere Inhalte laufend auf drei Erdteilen abspeichern. Auch das gehört, wenngleich sehr aufwendig, zur ordentlichen Geschäftsführung einer Kulturunternehmung. BWV 178 handelt davon, dass «die wilden Meereswellen mit Ungestüm ein Schiff zerschellen». Unserem Archivbestand darf solches nicht passieren. Die Vernunft gebietet, dass man sich nach menschlichem Ermessen vorsieht.

Wir freuen uns auf das baldige Wiedersehen mit Ihnen nach der Sommerpause.