Drei Weihnachtstage, drei Ostertage, drei Pfingsttage – dem häufig wohl auch grauen Leipziger Alltag standen ausgiebige Feiertage gegenüber. Der tägliche Kirchgang war vermutlich Pflicht und Kür zugleich. Damit letztere überwog, gehörte eine anständige Musik zum Programm. Der Druck auf die Ausführenden muss immens gewesen sein, vor allem dann, wenn man wie Johann Sebastian Bach meist auch Eigenes, Neues beisteuern wollte. Der Thomaskantor löste das Problem durch, sagen wir, «qualifizierte Reziklierung» bereits vorhandener Kompositionen. Fündig wurde er jeweils bei weltlichen Kantaten, die in der Folge sowohl textlich als auch musikalisch umgebaut wurden.

Aus Gelegenheitswerken für den einmaligen Gebrauch wurden auf diese Weise musikalische Ikonen sozusagen für die Ewigkeit, so zuallervorderst das Weihnachtsoratorium, gewiss aber auch die vorliegende Kantate BWV 134 «Ein Herz, das seinen Jesum lebend weiß». Ein klingendes Juwel, das zunächst ganz bescheiden mit einem Tenorrezitativ beginnt, nach einigen reizvollen Arien und Duetten für Altus und Tenor dann aber mit einem äusserst reichhaltigen, charmanten Schlusschor endet.

Aufgabe eines Historikers ist unter anderem, im Rückblick zwischen ephemeren Zeiterscheinungen und epochemachenden Ereignissen zu unterscheiden und auf diese Weise die Gedanken der Nachwelt zu ordnen. Er schaut in die Archivschränke der Geschichte wie seinerzeit Johann Sebastian Bach in den Kasten mit seinen eigenen Kompositionen, wählt aus und stellt das Gefundene aufs Neue dar. Unser nächster Reflexionist, der emeritierte Basler Historiker Georg Kreis, gehört zu dieser Gilde «qualifizierter Rezyklierer». Wir dürfen uns neugierig-erwartend auf seine Gedanken zur Kantate BWV 134 freuen.

Und apropos Feiertage: Unser Chor und Orchester der J. S. Bach-Stiftung sind unter der Leitung von Rudolf Lutz in der Karwoche mit unserer «Johannespassion» BWV 245 auf Tournee. Wir freuen uns, Sie an einem der Konzerte in Vaduz (5. April), St. Gallen (6. April) oder Zürich (8. April) persönlich begrüssen zu dürfen. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie frohe Ostern und schöne Feiertage.