Der Schein des Kantatentitels trügt: Es ist kein pompöser Einzug eines mächtigen Herzogs, den die Kantate BWV 123 «Liebster Immanuel, Herzog der Frommen» als Bild evozieren will. Vielmehr überwiegen sanfte, ja melancholische Töne in diesem Stück zum Jahresbeginn beziehungsweise zur Epiphanie. Das Kreuz von Karfreitag schimmert an manchen Stellen durch, ja wird insgesamt recht eigentlich antizipiert. Wir schreiten im Bewusstsein um eine nichtheile Welt ins neue Jahr hinein. Den «Herzog der Frommen» würde man in heutiger Sprache als «loser», als Verlierer bezeichnen, ja als Ärgernis im Vergleich zu den gesellschaftlich geforderten Siegertypen, den Herzögen unserer Zeit.

Dazu passt als Reflexionistin eine Schriftstellerin, die dreissigjährige Nina Kunz, die sich als Kolumnistin just diese nichtheile Welt vorgenommen hat und auf ihre kluge Art den Finger auf wunde Punkte legt. Die seit 2017 für «Das Magazin» schreibende Nina Kunz reflektiert mit ihren Geschichten Sachverhalte, die uns sonst kaum aufgefallen wären, und Personen, die keine Herzöge sind.

Mit der ersten Kantate im Jahr 2024 führen wir eine kleine Neuerung ein: das regelmässige Aufschlagen der «Calov-Bibel». Der dreibändige, 27 kg schwere, 1681/82 gedruckte Kommentar zur Lutherbibel war ständiger Begleiter bei Johann Sebastian Bachs Komponierarbeit. Auf verschlungenen Wegen gelangten seine drei Bände in dieVereinigten Staaten und wurden dort zufällig auf einem Estrich gefunden. Ein holländischer Bachverehrer liess Bachs Bibel im Faksimile-Verfahren herstellen und auflegen. Eine dieser Kopien wurden von der Künstlerschaft und dem Team der J. S. Bach-Stiftung ihrem Gründer zu einem runden Geburtstag geschenkt – einige von Ihnen waren im März 2023 dabei.

Der Beschenkte liess vom hiesigen Schreiner Welz ein Gestell zur öffentlichen Auflage der Bibel bauen; wir nehmen es im Januar erstmals in Betrieb. Am Freitagnachmittag, 12. Januar 2024, wird die Calov-Bibel um 15.30 Uhr im (Landsgemeindeplatz 2, 9043 Trogen) an den richtigen, das heisst an den zur Perikope der Epiphanie passenden Stellen aufgeschlagen und steht dem Publikum zur Einsichtnahme und Lektüre zur Verfügung. Wer möchte, kann sich um 15.45 Uhr zu einer kleinen Leserunde im 1. Stock der Krone Trogen einfinden. Wir werden dann die einzelnen Perikopentexte nochmals lesen und über sie nachdenken.

Noch eine Neuerung: Wie Sie merken, haben wir in diesem Jahr auf einen aufwändigen Weihnachtsversand oder sonstige Weihnachtsaktionen für unsere Kunden bzw. Musikerinnen und Musiker verzichtet. Stattdessen nutzen wir diese freigewordenen Mittel, um je zur Hälfte dem Appenzeller Jugendchor einen Projektbeitrag zukommen zu lassen sowie für ein Semester Musikunterricht für geflüchtete Jugendliche an der Kantonsschule Trogen zu ermöglichen. Der Zweck unserer Stiftung ist nicht der Papierverbrauch, sondern die gelebte Musizierfreude. Und die dürfen wir im Sommer sogar ganz wahrhaftig mit den Jungen erleben: Der Appenzeller Jugendchor gestaltet ein Konzert im Rahmen der Appenzeller Bachtage am 24. August 2024.

Schliesslich: Ab sofort sind auf bachipedia.org die Aufnahmen von Workshop, Aufführung und Reflexion der Kantate BWV 196 «Der Herr denket an uns» (März 2023) abrufbar. Weitere Veröffentlichungen aus dem Jahr 2023 folgen nun in rascher Fortsetzung.

Nun bleibt uns, Ihnen mit einem herzlichen Dank für Ihre Verbundenheit zu Bach und seinen St. Galler Jüngern und Jüngerinnen frohe, erfüllte Weihnachten und ein glückliches 2024 zu wünschen. Bleiben Sie gesund und kommen Sie gut ins neue Jahr. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen!